Dienstleistung

Vom Dienst zur Dienstleistung

Der Sprachausdruck Dienstleistung ist laut Rück ein theoretisches Konstrukt[1]. Trotzdem ist er ein Begriff der Alltagssprache[2]. Mit der Verwendung des Begriffs werden zum Teil unterschiedliche Inhalte verbunden[3]. In der deutschen Sprache existiert die Besonderheit, dass sie nicht nur den Begriff der Dienstleistung kennt, sondern auch den zumeist synonym verwendeten Ausdruck Dienst. Diese Tatsache ist für den alltäglichen Gebrauch nicht störend. Wenn der Begriff der Dienstleistung in einem wissenschaftlichen Zusammenhang verwendet wird, ist eine entsprechende Definition und Abgrenzung unerlässlich. Die Gültigkeit von Aussagen, die sich auf die Dienstleistungen als Ganzes oder auf davon abgeleitete Teilbereiche, wie zum Beispiel das Dienstleistungsmarketing beziehen, hängt entscheidend davon ab, was alles unter dem Begriff zusammengefasst wird[4]. Die Definitionsansätze des Dienstleistungsbegriffs sind vielfältig[5]. Bis heute gibt es in der Literatur keine eindeutige Definition für den Begriff der Dienstleistung[6]. Im Folgenden wird versucht, durch eine Reihe von Kriterien und Merkmalen Abgrenzungspunkte und Definitionsansätze zu erarbeiten.

 

Die älteste und zugleich gebräuchlichste Begriffsabgrenzung definiert Dienstleistungen als immaterielle Leistungen[7]. In der ökonomischen Theorie lassen sich die vorhandenen Definitionsvorschläge nach Corsten in drei Gruppen einteilen[8]. Die enumerativen Definitionen versuchen, den Dienstleistungsbegriff durch die Aufzählung von Beispielen zu charakterisieren und zu präzisieren. Der Ansatz der Negativdefinition erarbeitet den Dienstleistungsbegriff durch die Abgrenzung von Sachleistungen. Alles, was nicht den Sachleistungen zugeordnet werden kann, folglich nicht dem primären oder sekundären Sektor zuzurechnen ist[9], wird als Dienstleistung verstanden. Die dritte Gruppe versucht, über konstitutive Merkmale die Charakteristika von Dienstleistungen herauszuarbeiten[10] und so den Dienstleistungsbegriff zu definieren. Konstitutive Merkmale sind prägende Eigenschaften[11]. Der Definitionsansatz auf Basis der konstitutiven Merkmale ist der in der Literatur am häufigsten verwendete[12]und eignet sich zur Ableitung von Marketingimplikationen am besten[13].. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Autoren Burr und Stephan in ihrem Buch Dienstleistungsmanagement die von Corsten vorgenommene Gruppenaufteilung von drei auf fünf erweitern[14]. Auf die inhaltliche Vertiefung dieser Erweiterung wird verzichtet, da die genannten Buchautoren ebenfalls den Definitionsansatz auf Basis der konstitutiven Merkmale bevorzugen. Dieser Ansatz wird im Weiteren näher betrachtet.

 

Über die Herausarbeitung der konstitutiven Merkmale gelingt es, den Dienstleistungsbegriff explizit zu definieren[15]. In ihrem Beitrag Leistungsbündel als Absatzobjekte setzen Engelhardt, Kleinaltenkamp und Reckenfelderbäumer zunächst an den Dimensionen der Dienstleistung an. Dabei lassen sich grundsätzlich drei Arten von Dimensionen unterscheiden, die sich bei jeder Art von Leistung wiederfinden[16] (Abb.1). Mithilfe dieser Leistungsdifferenzierung erfolgen die Definitionen als Verknüpfung der konstitutiven Merkmale mit den Leistungsdimensionen. Dadurch findet eine Kombination eines oder mehrerer Merkmale miteinander statt[17]. Diese Kombination wird von den Autoren als für Dienstleistungen typisch angesehen[18]. Biermann bezeichnet diese Betrachtung als Dimension der Nutzenstiftung[19].

 

 

Dimension

Erläuterung

Bereitstellungsleistung

Die Kombination der internen Potential- und Verbrauchsfaktoren, die eine Leistungserstellung ermöglicht (Fähigkeit und Bereitschaft zur Ausübung einer Tätigkeit).

 

Leistungserstellungsprozess

Stellt eine durch die Aktivierung der Bereitstellungsleistung ausgelöste Tätigkeit dar, bei der interne und gegebenenfalls externe Produktionsfaktoren zum Zwecke der Bedarfsdeckung in einen Produktionsprozess integriert werden.

 

Leistungsergebnis

Das Ergebnis einer abgeschlossenen Tätigkeit (des Leistungserstellungsprozesses), das geeignet ist, einen Nutzen für den Nachfrager zu stiften.

 

Abbildung 1: Die drei Dimensionen der Dienstleistung

In Anlehnung an: Engelhardt, H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1994), S. 33 – 34

 

Somit ergeben sich potentialorientierte, prozessorientierte und ergebnisorientierte Dienstleistungsbegriffe beziehungsweise Definitionen[20]. Dienstleistungen sind demzufolge selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung). Interne und externe Faktoren werden beim Erstellungsprozess kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen und deren Objekten, nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung)[21].

 

Aus der potentialorientierten Sicht wird die Leistungsfähigkeit als Absatzobjekt angeboten. Aus dieser Betrachtung ergibt sich die Immaterialität als konstitutives Element[22]. Durch ihren Verrichtungscharakter differenzieren sich die Dienstleis-
tungen innerhalb der immateriellen Leistungen gegenüber Rechten (z.B. Lizenzen, Patente) und Informationen (z.B. Marktinformationen, Aktienberichte)[23]. Daneben existieren weitere Abgrenzungskriterien, die sich durch die zwei weiteren Sichtweisen ergeben. Aus der prozessorientierten Sicht steht der Erstellungsprozess als Dienstleistung selbst im Fokus der Betrachtung. Es liegt eine Synchronität von Produktion und Absatz, auch als Uno-Acto-Prinzip[24] bezeichnet, vor.

Bei der prozessorientierten Betrachtung stellt die Dienstleistung also ein zeitraumbezogenes Produkt dar. Interpretiert man die Dienstleistung also als Prozess, stellt die Immaterialität folglich ein charakteristisches Merkmal der Dienstleistung dar, weil letztlich jede Verrichtung immaterieller Natur ist. Aus der ergebnisorientierten Sicht wird die Dienstleistung als immaterielles Ergebnis einer dienstleistenden Tätigkeit verstanden. Die Trennung zwischen Vorgang und Ergebnis nachzuvollziehen ist schwierig, da Dienstleistungen häufig im Augenblick ihres Entstehens wieder vergehen[25].

 

Die weitere Literatur charakterisiert die drei Dimensionen auch durch die Unmöglichkeit der Lagerung im Hinblick auf Vorratsproduktion, die Gleichzeitigkeit von Leistungserstellung und Konsum (Uno-Acto-Prinzip) und insbesondere die Integration des Kunden als externen Faktor in den Produktionsprozess. Diese Integration des Kunden in den Prozess ist eines der wesentlichen Merkmale bei Dienstleis-
tungen[26]. Kleinaltenkamp ergänzt zur Flüchtigkeit der Dienstleistung und Individualität oder Simultaneität von Produktion, Absatz und Verbrauch die fehlende Eigentumsübertragung[27].



[1] Vgl. Rück, H. (1995), S. 4 ff.

[2] Vgl. Woratschek, H. (1996), S. 69.

[3] Vgl. Holst, J. (1994), S. 106.

[4] Vgl. Kleinaltenkamp, M. (2001), S. 29.

[5] Vgl. Burr, W. (2006), S. 18.

[6] Vgl. Haller, S. (2005), S. 13; Engelhardt, H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer M. (1994), S. 39.

[7] Vgl. Kleinaltenkamp, M (2001), S. 33; Meffert, H., Bruhn, M. (2003), S. 32; Biermann, T. (2003), S. 17.

[8] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 17; Burr, W. (2006), S. 18.

[9] In der volkswirtschaftlichen Betrachtung werden drei Sektoren unterschieden (Drei-Sektoren-Theorie). Die Dienstleistungen bilden hierbei den tertiären Sektor. Die Urproduktion wie z.B. Landwirtschaft oder Fischerei bilden den primären Sektor. Die Weiterverarbeitung oder auch industrielle Produktion bildet den sekundären Sektor: Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2003), S. 9.

[10] Vgl. Haller, S. (2005), S. 6.

[11] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 17; Burr, W. (2006), S. 19.

[12] Vgl. Burr, W. (2006), S. 19.

[13] Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2003), S. 27.

[14] Vgl. Burr, W. (2006), S. 18.

[15] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 17.

[16] Vgl. Engelhardt, H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1994), S. 33.

[17] Vgl. Meffert, H., (2000), S. 1160.

[18] Vgl. Engelhardt, H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1994), S. 34; Rosada, M. (1990), S. 17 f.

[19] Vgl. Biermann, T. (2003), S. 20.

[20] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 17.

[21] Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2003), S. 30; Meffert, H. (2000), S. 1159; Engelhardt, H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1994), S. 33 – 34; Corsten, H. (1990), S. 17.

[22] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 18.

[23] Vgl. Meffert, H, Bruhn, M. (2003), S. 32; Scheuch, F. (2002), S. 16.

[24] Vgl. Schäffer, S. (2000), S. 202.

[25] Vgl. Corsten, H. (1990), S. 18 – 19.

[26] Vgl. Biermann, T. (2003), S. 17; Bouncken, R. (2000), S. 10; Meyer, A., Blümelhuber, C. (1994), S. 7 – 10.

[27] Vgl. Kleinaltenkamp, M. (2001), S. 33.

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© Dipl.-Kfm. (FH) Hans-Jürgen Bruhn, 2020